Sie wollten nur helfen

Wenn Hilfe schadet



Diese Woche hatte ich ein unerwartetes Gespräch mit einem Vater, der mir von einem seiner Kinder erzählt hat. Dieses Kind absolviert zurzeit eine Lehre und nun, nach einigen Monaten tauchen Probleme auf. Nicht etwa bei der Arbeit, sondern in der Berufsschule. Kommen wir aber zur Geschichte, die ich selbst und aus Beispielen von anderen nur zu gut kenne, wobei die folgende Situation schon fast alles übertrifft. Vielleicht bin ich auch einfach noch kritischer geworden.

Dieser junge Mensch hatte in der Schule Schwierigkeiten. Irgendwann stellte man auch eine heute übliche Diagnose. Was sonst? Für mich war folgende Szenenbeschreibung der Inbegriff von dem, was an vielen Orten schief läuft. So sassen dieser junge Mensch und seine Eltern (gut gebildet und mit sehr solidem beruflichen Hintergrund) bei einem Gespräch und ihnen sassen 5 oder 6! Personen (Schulleitung, Lehrpersonen, Psychologen, …?) gegenüber. WTF!? Diese Situation wäre schon für eine erwachsene Person sehr schwierig zu bewältigen!

Wenn das einmalig wäre, wenn es 30 Jahre in der Vergangenheit liegen würde, dann, ja dann wäre es nicht viel besser, aber verständlicher. Es ist aber aktuell. Nun wären es doch gerade Pädagoginnen und Pädagogen, Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, Psychologinnen und Psychologen, Schulleiter und Schulleiterinnen, … die wissen müssten, wie zielführend ein solches Setting ist. Nicht?

Nun, vielleicht haben sie sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht. Ein runder Tisch oder über die Ecke sitzen, etwas zu trinken anbieten, positives Feedback zuerst, Ressourcen erwähnen, positive Verstärkung durch Mimik und Gestik. Wer weiss. Sie scheinen aber nicht sehr viel Einfühlungsvermögen zu haben. Vielleicht.

Vielleicht können sich Expertinnen und Experten in grösseren Gruppen auch besser verstecken. Vielleicht müssen sie die Verantwortung nicht übernehmen. Vielleicht sind sie selbst unsicher und sind froh, wenn sie sich wie Schafe in der Herde verstecken können. Vielleicht.

Früher habe dieser junge Mensch sehr gerne und gut gezeichnet. Heute nicht mehr. In der Schule war das nicht gefragt oder wenn, dann halt anders. Dieser junge Mensch habe ein Hobby mit Tieren. Tiere urteilen nicht, vermute ich. Vielleicht haben Tiere aber auch ein gutes Gespür für Menschen. Vielleicht.

Ich hörte einen Vater von seinem Kind erzählen. Ich hörte wunderbare Eigenschaften eines jungen Menschen, der nicht so sein sollte, wie er ist. Jetzt könnte dieser junge Mensch sich selbst sein, kann viele von den Stärken in den Beruf bringen. Wären da nicht diese verdammten Erfahrungen aus der Schule, die anscheinend wieder auftauchen und nun für erste Schwierigkeiten sorgen.


PS: Ich finde es sehr wichtig und hilfreich, wenn sich «Helfer*innen» gegenseitig austauschen und interdisziplinär arbeiten. Es ist auch gut, wenn das Gespräch von mehr als einer Person geführt oder geleitet wird. Daran gibt es nichts auszusetzen. So aber nicht. Stell dir vor, an deinem nächsten Jahresgespräch, Vorstellungsgespräch, Probezeitgespräch sitzen dir 6 Personen gegenüber. Man könnte sich vorstellen direkte:r Vorgesetzte:r, CEO, HR, und hier gehen mir schon die Ideen aus, wer da noch sitzen könnte.

Es ist auch so, dass dieser junge Mensch (wie alle anderen auch) selbst Verantwortung für sich übernehmen muss (darf). Das heisst aber auch mit der jahrelangen (negativen) Erfahrung frieden zu schliessen und das passiert nicht von heute auf morgen.

Titelbild: Ben Zaugg