Individuelle Lernwege im Unternehmen

Individuelle Lernwege im Unternehmen

Was passiert, wenn wir den Mut haben, Menschen lernen zu lassen? In der heutigen Arbeitswelt werden Mitarbeiter oft in Aus- und Weiterbildungen geschickt. Diese werden finanziert und am Ende erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat/Diplom/Ausweis. Das ist sicherlich eine positive Praxis. Nur leider führt diese auch dazu, dass die Mitarbeitenden das Unternehmen bald verlassen, da es innerhalb des Betriebs keine Möglichkeiten zur weiteren Entwicklung gibt. Es ist auch so, dass das Gelernte (fast) immer dem Lehrplan und selten den aktuellen persönlichen und beruflichen Bedürfnissen der Teilnehmenden folgt.

Es wäre sinnvoller, wenn die internen Lernangebote stärker auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten wären. Zumindest solche, von denen man sagen kann, dass sie nicht als Pflichtprogramm «abgearbeitet» werden müssen. Was, wenn wir die Mitarbeitenden dazu ermutigen und befähigen würden, ihr eigenes Lernen im und um den Arbeitsalltag selbst zu gestalten? Indem wir ihnen die Freiheit und Verantwortung geben, ihre Lernziele festzulegen und ihre Fortschritte zu verfolgen, könnten wir eine nachhaltigere und effektivere Lernkultur schaffen. Dies würde nicht nur die Motivation und Bindung der Mitarbeitenden stärken, sondern auch sicherstellen, dass das erworbene Wissen direkt im beruflichen Kontext anwendbar ist.

Vielleicht gibt es sogar mehrere Personen, die sich für ein identisches oder ähnliches Thema interessieren. So könnten zum Beispiel neue Führungskräfte eine Gruppe bilden oder Menschen, die sich mit einer neuen Technologie befassen möchten oder «müssen». Sie könn(t)en einander dann bei ihren Lernprozessen unterstützen, ihr eigenes Wissen, ihre Erfahrungen und Gedanken einbringen. Dieses Lernen wäre unbegrenzt. In diesen Prozessen können Lernende dazu kommen und andere gehen. Es ginge hin, zu einem wirklichen und lebendigen lebenslangen Lernen (bei der Arbeit). 

Ein Führungs-Lern-Circle 

Variante 1

  • Führungskräfte (neue und bestehende) aus verschiedenen Abteilungen kommen zusammen.
  • Sie organisieren sich selbst
  • Sie tauschen sich über Erfahrungen und Schwierigkeiten aus, geben sich gegenseitig Fachinputs und jede:r übernimmt einmal die Moderation/Organisation. Dabei findet ein Wissenstransfer zwischen erfahrenen und neuen Führungskräften statt. Erfahrene Leader geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter.
  • Sie erhalten wiederum Feedback und Inputs von ihren (wahrscheinlich) jüngeren Kolleg:innen. Hier heraus könnten im weiteren Verlauf Mentorings entwickeln. Zudem gibt es einen Einblick in die Arbeitsthemen und -bereiche der anderen Abteilungen. 

 Variante 2

  • Ein organisierter Circle für Führungskräfte
  • Ihnen wird (z. B. von der Personalentwicklung) ein Pool an Expert:innen (internen/externen) zur Verfügung gestellt, auf die sie zurückgreifen können. 
  • Sie wählen als Gruppe selbst aus, was für sie im Moment relevant ist und welche Themen sie vertiefen möchten. 
  • Hier wäre (anstatt verschiedene Expert:innen) auch eine Person denkbar, die fix für Supervisionen da ist.

Diese Beispiele lassen sich in viele (fachliche und thematische) Richtungen erweitern und anpassen. 

Natürlich gibt es oft bereits interne (komplett organisierte) Lernangebote und auch externe Weiterbildungen sind ich per se schlecht. Betrachten wir jedoch Kosten und Nutzen sowie die sich ständig verändernden Anforderungen, wäre selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Lernen eine absolute Notwendigkeit. Es würde dem oft verschrienen lebenslangen Lernen gerecht. 

Es gibt etliche Umsetzungsmöglichkeiten. Wer sich noch nicht auf den Weg gemacht hat, sollte das bald tun. Am besten ist man auch bei der Einführung und Umsetzung lernend unterwegs, teilt die Erfahrungen und lässt andere am Lernprozess teilhaben. Auch das gehört zu einer (neuen) Lernkultur. 

Umsetzungsbeispiele und Möglichkeiten

Bedarfsanalyse und individuelle Lernpläne

Regelmässige Entwicklungsgespräche, um die individuellen Lern-/Entwicklungsbedürfnisse und Potenziale der Mitarbeitenden zu identifizieren. Basierend auf diesen Bedürfnissen können dann massgeschneiderte Lern- und Entwicklungspläne und -ziele erstellt werden, die relevante Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln. 

Mentoring 

Mentoringprogramme einführen, in denen erfahrene Mitarbeiter ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Zusätzlich können Peer-Learning-Initiativen eingerichtet werden, in denen Teammitglieder voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen.

Flexible Lernformate

Durch verschiedene Lernformate den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht werden. Dies können Online-Kurse, Workshops, Lern-Circles oder informelle Lernmöglichkeiten wie Podcasts und Blogs sein.

Projektbezogenes Lernen

Lernaktivitäten und Lernthemen direkt in laufende Projekte integrieren. Dies fördert nicht nur die Anwendbarkeit des Gelernten im Arbeitsalltag, sondern ermöglicht auch die unmittelbare Umsetzung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten.

Feedback-Kultur fördern

Eine offene Feedbackkultur etablieren. Mitarbeitende erhalten regelmässig Rückmeldungen zu ihren Lernfortschritten. Konstruktives Feedback ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung und stärkt die Selbstreflexion. Das kann gemeinsam mit anderen Lernende stattfinden oder mit Lerncoaches. 

Ressourcen für selbstgesteuertes Lernen bereitstellen

Stelle den Mitarbeitenden Ressourcen und Tools zur Verfügung, die ihnen ermöglichen, eigenständig zu lernen. Dazu gehören Zugang zu Online-Lernplattformen, Fachliteratur und die Möglichkeit, an relevanten Konferenzen und Veranstaltungen teilzunehmen.

Kompetenzprofil erstellen

Mitarbeitende können ihr eigenes und für alle zugängliches Kompetenzprofil erstellen. Dort werden nicht nur berufsbezogene Kompetenzen abgebildet, sondern auch solche, die sie sich in anderen Lebensbereichen angeeignet haben. Dieses Profil dient nicht nur als visuelle Repräsentation ihrer Fähigkeiten, sondern ermöglicht es auch Vorgesetzten und Kolleg:innen, schnell einen Überblick über die Kompetenzen eines Mitarbeitenden zu erhalten.

Digitale Badges

Digitale Badges heben das Kompetenzprofil auf die nächste Stufe. Es sind die digitalen Zertifikate, die eine Kompetenz oder den Kompetenzerwerb bestätigen.