New Work: Ein Meer voller (Un-)Tiefen

Im Rahmen meines aktuellen CAS beschĂ€ftige ich mich im ersten Modul mit dem Thema New Work. Diese Wahl mag auf den ersten Blick ĂŒberraschend erscheinen, da ich mich bereits seit drei oder vier Jahren mit diesem Thema auseinandersetze. Doch genau dieser Umstand hat mich dazu bewogen, New Work als eines der Module zu wĂ€hlen – um Klarheit in meine eigene Definition zu bringen. Denn das, was unter New Work verstanden und angeboten wird, ist oft ein unĂŒbersichtliches Sammelsurium verschiedenster Massnahmen und Prinzipien.

«New Work ist ein Trendthema und gleichzeitig ein unĂŒbersichtliches Sammelsurium verschiedenster Massnahmen und Prinzipien. HĂ€ufig werden sie ziellos und mit heftigen Nebenwirkungen in Organisationen eingefĂŒhrt.»

Schermuly (2021), S. 12

Ein Ursprung meines Interesses

Als ich mich mit guter Arbeit beschĂ€ftigte, begegnete ich irgendwann der Philosophie von Frithjof Bergmann und seinem Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“. Diese LektĂŒre bestĂ€tigte ein GefĂŒhl und eine Idee fĂŒr bessere Arbeit. Er eröffnete mir neue Sichtweisen auf Formen der Arbeit und eine alternative Sichtweise auf das, was Arbeit in unserer Gesellschaft bedeuten kann. Was danach kam, lĂ€sst sich heute kaum noch in eine chronologische Reihenfolge bringen. Es folgten zahlreiche weitere BĂŒcher aus dem New Work-Universum, darunter u. a. „New Work, gute Arbeit gestalten“ von Carsten Schermuly oder New Work braucht New Learning von Jan Foelsing und Anja Schmitz.

Praxiserfahrungen und persönliche Entwicklung

Parallel zu meiner theoretischen Auseinandersetzung mit New Work habe ich in meiner SelbststÀndigkeit versucht, einige Anteile dieser Konzepte in die Praxis umzusetzen sowie Umsetzungen bei anderen zu beobachten und zu erleben. Dies ermöglichte es mir, neue Formen der Arbeit zu erproben und dabei wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Zu diesem Zeitpunkt war mir der Wert dieser Erfahrungen und der Einblicke noch nicht wirklich bewusst. Dazu gehörten unter anderem:

  • Meine SelbststĂ€ndigkeit, in der ich mir Freiraum und Zeit schaffen konnte, mich mit neuen Formen der Arbeit zu beschĂ€ftigen. Dazu gehörten:
  • Selbst fĂŒr mich sorgen (Lohn, Versicherungen, AuftrĂ€ge, Unsicherheiten aushalten, Freiheit aushalten, 
) 
  • Lernen und Arbeiten in einem Coworking Space, der nach soziokratischen GrundsĂ€tzen gefĂŒhrt und gepflegt wird. Einblicke in Kultur, Struktur, Entwicklung und vielem mehr. Dort finde ich viele Verbindungen zu «Thank God it’s Monday» von Dark Horse oder Frederic Laloux. Zu den GrundsĂ€tzen geht’s hier entlang.
  • Begleiten und Lernen von einem der GrĂŒnder und Pionier im Bereich Coworking und Colearning.
  • Teil einer Community werden und sein
  • Wieder einen Schritt zurĂŒck aus dieser Community oder den Communities und dem Space machen und sehen, wie meine Rolle sein wird.

In dieser Zeit habe ich mich entschieden, meine SelbststĂ€ndigkeit wieder an den Nagel zu hĂ€ngen und zurĂŒck in eine Anstellung zu gehen. Vielleicht ist auch das ein Teil von «New Work», diese «wilden» VerĂ€nderungen.

«Die Regel wird nicht mehr die lineare Karriere sein, steil oder stetig nach oben, erst recht nicht die lebenslange Festanstellung bei ein und demselben Arbeitgeber. Stattdessen wird es ein Neben- und Nacheinander von Festanstellung und Projektarbeit, von selbststÀndiger Arbeit, bewusst gewÀhlten Auszeiten und befristeten Engagements geben. Wie ein Mosaik, das sich ausgehend von einem ersten Stein in alle Richtungen ausbreitet, werden sich Karrieren aufbauen.»

Rundstedt (2015), in Schermuly (2021), S. 259

RĂŒckkehr in die Anstellung – eine neue Perspektive

ZurĂŒck im Job als Angestellter, konnte ich viel von beiden Welten verbinden. Ich konnte Erkenntnisse und Erfahrungen in meine Arbeit einbringen. Es gelang mir, VerbĂŒndete zu finden und mit ihnen schnell und wirkungsvoll wichtige Entwicklungen anzustossen und umzusetzen. Vielleicht ist auch das eine Form von «New Work». Genauso wie bestĂ€ndiges Lernen. 

StÀndige Weiterentwicklung und das Konzept von Wandel

Kommen wir zurĂŒck zu meinen Weiterbildungen. Im ersten CAS Organisationsentwicklung und Change Leadership habe ich mich u. a. auf VerĂ€nderungen in der Arbeitswelt fokussiert. Meine Tendenz ist, dass Change Management durch Change Leadership und so auch durch ein natĂŒrliche(re)s VerstĂ€ndnis von einer (Arbeits-) Welt im Wandel abgelöst wird U(oder abgelöst werden sollte). Es geht darum, unser (Arbeits-) Leben als etwas zu verstehen, das ganz natĂŒrlich im Wandel ist und bleiben wird. Das Tempo scheint sich dabei zunehmend zu erhöhen. 

So bewegt sich mein (vorlĂ€ufiges) VerstĂ€ndnis von New Work langsam in die Richtung von einer Arbeitswelt im Wandel. Ein Wandel von der Industrie 3.0 zu Industrie 4.0. New Work (wie oft werde ich das wohl in diesem Beitrag geschrieben haben? 😉) ist die neue Arbeitswelt und die Art, wie wir arbeiten. Es ist unsere Arbeitswelt und wahrscheinlich ist bereits ganz viel «New Work» in unserem Alltag drin. Den Schmerz fĂŒhlen wir vielleicht dort am meisten, wo noch nach alten «Regeln» gespielt wird, das Spiel aber bereits ein neues ist.  

Die neue (gute) Arbeitswelt könnte u. a. geprÀgt sein von:  

  • Mensch & Unternehmenszweck (Purpose) in Einklang.
  • Co: Zusammen gestalten, gemeinsam arbeiten und entscheiden. Verflachung oder Wegfall von Hierarchien zugunsten von geteilter Verantwortung.
  • Empowerment von Menschen in den Unternehmen.
  • New Learning (andere, individuellere, kontinuierlichere Formen von Lernen).

Die Herausforderungen und Erweiterung der New Work-Diskussion

Wenn ich mich mit dem Thema New Work beschĂ€ftige, ertappe ich mich immer wieder dabei, dass mein Denken oft auf die klassischen „Wissensarbeiter“ fokussiert ist – jene, die in BĂŒros arbeiten. Dabei wird ein grosser Teil der Arbeitswelt, der in Berufen wie Handwerk, Pflege, Dienstleistungen oder Logistik tĂ€tig ist, oft ausgeklammert, ja, einfach vergessen. Dabei habe ich hier durch meinen bisherigen beruflichen Weg viele AnknĂŒpfungspunkte.

Die Arbeitsbereiche der abstrakten Kopf-Arbeit haben sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter von der restlichen Arbeitswelt isoliert - Akademisierung, Pandemie, Digitalisierung sind, wie wir sehen werden, die massgeblichen TriebkrÀfte dieser Entwicklung. Im Ergebnis kann gar nicht mehr von einer Arbeitswelt gesprochen werden, und bald villeicht auch gar nicht mehr von einer Gesellschaft?

Rusinek (2023), S. 123

Gedanken zum Schluss

New Work ist schwer zu greifen, weil das VerstÀndnis davon sehr unterschiedlich ist. Wo einige die tiefgreifende Philosophie Bergmanns verstehen, meinen andere Homeoffice und flexible Arbeitszeiten. Rusinek und Cremer sprechen in einem Podcast davon, dass dieser Begriff vielleicht bald verschwindet und durch etwas anderes (oder verschiedenen anderen Begriffen) abgelöst wird. Wer weiss.

Und nun? Ich bin auf dem Weg, mein New Work VerstĂ€ndnis fĂŒr mich und die nĂ€chste Zeit zu schĂ€rfen.


Passend dazu finde ich diesen New Work Now Podcast mit Kira Marie Cremer & Hans Rusinek. Sie sprechen unter anderem ĂŒber das mögliche MissverstĂ€ndnis des ursprĂŒnglichen New Work Begriffs von Bergmann. 

Den Vortrag, den sie im GesprÀch erwÀhnen ist wohl dieser hier.

📚Die BĂŒcher

📕Neue Arbeit, neue Kultur, Frithjof Bergmann

📘Laloux Frederic (2015), Reinventing Organizations, Ein Leitfaden zur Gestlatung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, Vahlen Verlag

📕Work Survive Balance, Hans Rusinek

📘Dark Horse Innovation (2014), Thank God it’s Monday! Wir wir die Arbeitswelt revolutionieren

📕New Work - Gute Arbeit gestalten, Psychologisches Empowerment von Mitarbeitern, Carsten Schermuly

📘New Work braucht New Learning, Eine Perspektivreise durch die Transformation unserer Organisations- und Lernwelten

Titelbild: Hintergrundbild erstellt mit Bing Image Creator