Lernen sichtbar machen

Gelernt wird immer und überall

Eine kleine Einleitung

Wir lernen immer und überall, nur ist es uns oft nicht bewusst. Wir haben gelernt oder wurden darauf konditioniert, dass Lernen mit Anstrengung zu tun hat. Wir meinen, Lernen müsse in Kurs- und Schulräumen stattfinden und dafür brauche es eine Organisation und Expert:innen. So haben viele Menschen schlechte Lernerfahrungen gemacht und nur wenig Lust, sich (wieder) damit auseinanderzusetzen oder nehmen das Lernen auf sich um den nächsten Karriereschritt machen zu können.

Die Welt verändert sich

Beim Thema Colearning und Karriere ohne Berufsabschluss hörte ich vor kurzer Zeit folgende Aussage einer Berufsberaterin: «Auf der einen Seite gelten Menschen ohne Berufsabschluss als Niedrig-Qualifizierte (also Menschen mit wenig Chancen und Aussichten auf einen «guten» Job), auf der anderen Seite wissen wir, dass Zertifikate und Abschlüsse immer weniger wichtig werden.» Wir wissen, dass sich die Welt verändert. Dazu gehört auch die Art, wie wir lernen und arbeiten.

Wie wird Lernen in Zukunft stattfinden?

Diese Frage kann niemand genau beantworten. Das Digitale spielt aber doch immer irgendwie mit und wahrscheinlich wird es einen wichtigen Teil im «neuen» Lernen übernehmen. Es zeichnen sich m. E. aber auch klare Tendenzen in Richtung natürlichem Lernen ab, also Lernen in kleine(r)en Etappen und Lernen gemeinsam im Austausch mit anderen Menschen.

Natürliches Lernen

Mittlerweile ist «Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr» veraltet. Es ist klar, unser Hirn ist unser ganzes Leben lang lernfähig. Lernen findet in Bewegungen statt. Ein paar Beispiele:

  • Wir werden vor eine komplett neue Situation gestellt. Wir können sofort damit umgehen oder finden es mit der Zeit heraus. Wir haben gelernt.
  • Wir wollen etwas Neues ausprobieren. Wir probieren und scheitern. Wir probieren anders. Wir scheitern. Wir nehmen die Erkenntnisse von Versuch 1 und 2, kombinieren sie und probieren wieder. Vielleicht klappt es und vielleicht nicht. Wir lernen.
  • Wir können etwas sehr gut und können damit Dinge erschaffen, Probleme lösen, uns einen Vorteil verschaffen. Irgendwann funktioniert es nicht mehr. Wir lernen.

In allen drei Situationen haben wir nicht nur das, nennen wir es einmal «Mechanische» gelernt. Vielleicht haben wir um Hilfe gefragt, vielleicht mussten wir uns in Geduld üben, vielleicht mussten wir uns, unser Leben, die Situation aus neuen Blickwinkeln betrachten, vielleicht haben wir etwas geschafft, von dem wir dachten, es sei unmöglich. Das sind unsere ganz natürlichen Lernbewegungen im Leben, die auch oder gerade ausserhalb von formaler Bildung stattfinden. Wir sind uns aber selten über diese Lernprozesse bewusst und so wissen viele nicht, was für tolle und kompetente Lerner:innen sie sind.

Lernen bewusst machen

Lernen findet immer statt. Wie kann man denn selbst sehen, was man gelernt hat? Wie kann man es anderen zeigen? Ganz am Anfang müssen wir das Lernen für uns selbst sichtbar machen oder noch vorher müssen wir ein Gefühl für unser Lernen entwickeln. Am einfachsten ist es wohl zu Beginn, wenn du dich auf ein Thema fokussierst. Was ist gerade aktuell? Wo möchtest du dir Kompetenzen aneignen oder deine Kompetenzen verbessern?

Wenn du das (zumindest grob) für dich definiert hast, dann kannst du regelmässig (täglich, mehrmals wöchentlich, …) schauen:

  • was kann ich heute besser als gestern, vor einer Woche, …
  • gab es Erkenntnisse, AHA-Momente, …
  • wo komme ich nicht weiter? Brauche ich Hilfe? Wie oder von wem bekomme ich die?

Am besten beginnst du hier bereits, das zu dokumentieren. Das können Fotos sein, Stichworte, Zeichnungen, Texte etc. So merkst du relativ schnell, wie viel Lernen immer wieder passiert.


Auch wenn du alleine beginnen kannst, empfiehlt es sich, Lernpartner:innen zu suchen. Das können Menschen sein, die auch selbstorganisiert und selbstbestimmt lernen (wollen) oder Mentor:innen, die dich auf diesem Weg begleiten. Das müssen nicht Fachmentor:innen sein. Es reicht, wenn sie dich oder ihr euch gegenseitig bei der Reflexion unterstützt. Es ist gut, jemanden zu haben, der oder die dich immer wieder ermutigt.

Lernen sichtbar machen


Endlich sind wir beim Titelthema. Du kannst das Lernen nicht nur für dich selbst, sondern auch für andere sichtbar machen. Warum?

* Du zeigst deinen Lernprozess und deine Kompetenzaneignung.

* Es werden neben den fachlichen Kompetenzen auch viele andere sichtbar.

* Andere Interessierte können sich mit dir in Verbindung setzten und von dir und deinem Lernprozess lernen.

* Was sonst «einfach so» passiert, wird sichtbar und wertvoll.

Das Sichtbarmachen kann ganz verschieden stattfinden. Rund um Colearning Bern schreiben wir Lilo (oder Lernblogs). Du kannst aber auch Videos machen, Podcasts produzieren, mit Fotos dokumentieren oder das alles kombinieren. Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Lernen ist nie fertig, es ist immer in Bewegung und was heute eine Erkenntnis ist, kann sich in einem Monat als Fehler, Missverständnis, … herausstellen. Deshalb ist die Idee bei «Lernen sichtbar machen» nicht nur Schönes und Fertiges zu teilen. Es geht darum, dem gesamten Prozess Raum zu geben.

Vielleicht fragst du dich, was es mit dem Titelbild auf sich hat. Es steht für den Austausch miteinander. In Begegnungen mit anderen Menschen wie z. B. beim Kaffeetrinken lerne ich sehr viel. Ich erhalte Einblicke in andere (Arbeits-) Leben, gestellte Fragen regen mich zum Nachdenken an, ich kann selbst Fragen stellen, zuhören und so vieles mehr. Für mich sind Gespräche und Treffen zum Kaffee o. Ä. oft sehr wertvolle Momente und Lernerfahrungen.